Nazivergleich: Sag jetzt nichts…

Bush=Hitler? Diesen und ähnliche Vergleiche kennen wir fleißigen Leser von Cohus Nazivergleichsberichterstattung schon von vielen dezidierten Un-Amerikanern wie Chavez, Belafonte, Zwerg Jong Il und einem Erdkundelehrer. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die exzellente Gallery of “Bush=Hitler” Allusions.
In Slate wird uns jetzt von Diane McWhorter erklärt, was es mit dem Nazivergleichs-Tabu in der US-amerikanischen Politik eigentlich auf sich hat, die kontroverse These:

The taboo is itself a precept of the propaganda state. Usually its enforcers profess a politically correct motive (…)  And so by allowing the issue to be defined by the unique suffering of the Jews, we ignore the Holocaust’s more universal hallmark: the banal ordinariness of the citizens who perpetrated it. The relevance of Third Reich Germany to today’s America is not that Bush equals Hitler or that the United States government is a death machine. It’s that it provides a rather spectacular example of the insidious process by which decent people come to regard the unthinkable as not only thinkable but doable, justifiable. (Diane McWhorter: The N-Word)

 

Endlich verteidigt mal jemand den (intelligenten) Nazivergleich als Mittel, aus der Geschichte zu lernen. Der entscheidende Punkt ist aber wohl:

We have become such “good Americans” that we no longer have the moral imagination to picture what it might be like to be in a bureaucratic category that voids our human rights, be it “enemy combatant” or “illegal immigrant.” Thus, in the week before the election, hardly a ripple answered the latest decree from the Bush administration: Detainees held in CIA prisons were forbidden from telling their lawyers what methods of interrogation were used on them, presumably so they wouldn’t give away any of the top-secret torture methods that we don’t use.

 

Tja: ein Nazivergleich verliert seine gesamte rhetorische Schlagkraft, sobald der Adressat nicht mehr auf die Idee kommt, er könne ja auch mal auf der Seite der Juden stehen. Aber:

Cautiously, I look back on that as the crystallizing moment of Bushworld: tautological as a Gilbert and Sullivan libretto, absurd as a Marx Brothers movie, and scary as a Kafka novel.

 

Da: geht doch auch ohne Nazivergleich, solange man kulturell gebildet ist…

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(National) Social(ist) Networking

HA-ha! (Nelson Muntz-Style). Wir haben den ersten Nazivergleich 2.0 (Näheres zur Verwendung dieser schrecklichen Formulierung siehe hier). Danke, Herr Bauer, für den schadenfrohen Hinweis. Aber sag mal, dieser SPON Artikel über das StudiVZ ist ja voller Tipp- und Satzfehler, können die sich nicht mal mehr einen Praktikanten leisten?
 Cohu ist übrigens bei keiner Social Networking – Seite angemeldet, außer bei, wie hieß das? Friendster! Aber da hab ich nur einen einzigen Freund, äh, Friend. Ach, und natürlich bei Open BC/Xing, aber das ist ja wohl so uncool, dass ich den Satz jetzt einfach mal wieder durchstreiche.
Cohu muss jetzt, gegen sammlerische Neutralität verstoßend, sagen, dass sie diesen "Nazivergleich" nicht sooo schlimm findet. Ja, klar, ich bin die erste, die mitmacht, wenn es darum geht, sich über einen (vermeintlich?) unverdient Erfolg- und Neureichen zu amüsieren, der in ein Fettnäpfchen getreten ist. Neid, das bestätigt jeder Psychologe, ist eine der größten psychodynamischen Kräfte.
Aber bitte: der Dariani vergleicht dort praktisch seine eigene Organisation mit der nationalsozialistischen Bewegung. Satirisch. Mehr oder weniger amüsant. Wem schadet das? Niemandem. Wen beleidigt das? Wenn dann ja wohl die Nazis, wenn man sich die dubiosen Geschäftsmethoden und die oft fehlende Professionalität bei StudiVZ anschaut. Groß aufregen kann ich mich darüber nicht.
(Cohu, die sich jetzt wieder wesentlich wichtigeren Dingen zuwendet, verhungernde Kinder, Weltfrieden, etc. Aber erst muss ich Mittagessenkochen.)

Herbstlicher Spaß mit Google Keyphrases

Welch Kontrast: "Nackt in der WG" konkurriert in meinen Suchanfragen mit "arbeitsalltag großkanzlei."
"michel hunziker opus dei"
: ein Klassiker.
Anscheinend haben dann auch einige arme, redenschreibende Referenten nach Alternativen gesucht: "name für unterschicht", "name der neuen unterschicht", "prekariat – was heißt dieses wort?", "was bedeutet neue unterschicht nationalsozialismus". sogar ein "unterschicht blog" bzw. "die neue unterschicht blogs dazu" werden gesucht. Schlage ja übrigens für das "Prekariat" den Namen "Unterschicht 2.0" vor (genau wie bei allen 2.0-Sachen ist auch hier nicht so ganz geklärt, woher die auf Dauer ihr Geld nehmen sollen und wozu sie zu gebrauchen sind).
Noch ein schöner, wenn auch nicht ganz nahe liegender Nazivergleich ist dabei:"hitler vs. polt".
Und klar, das hat hier auch mal saisonalen Bezug: bei den kälter werdenden Nächten sehnen sich nicht alle nach Nackt-WGs, sondern auch einfach mal nach "sauna gemeinsam onanieren". Uäh!

Livingstone, I presume?

Nicht nur Cohu hat eine Vorliebe für die Blutgrätsche unter den Stilmitteln – auch der Bürgermeister Londons, Ken Livingstone, ist schon Anfang des Jahres durch einen besonders geschmackvollen Nazivergleich aufgefallen, der ihm gleich eine mehrwöchige Suspendierung einbrachte. Neben seiner ausgeprägten Vorliebe für Wassersparen direkt an der Ausscheidungsfront ("If it’s yellow, let it mellow, if it’s brown, flush it down") hat Livingstone aber das Nazivergleichen wohl nun zu seinem Hobby gemacht: die "Dämonisierung" von Muslimen in der britischen Öffentlichkeit habe Parallelen zur Dämonisierung der Juden in der Nazizeit, sagte er gestern:

"It is quite clear that the problems we have in Britain are not because Muslims wish to be separate … I think the entire debate has been totally lopsided as though Muslims were somehow at fault for this," Mr Livingstone said.

"That echoes very much the demonology of Nazi Germany when Hitler said it was the Jews’ fault and the problems were brought upon themselves. There is a faint echo of that in a lot of the rubbish we have been seeing in the media recently." (Guardian)

Mit dieser Bemerkung verteidigte unser tapferer Bürgermeister nicht nur zu Recht die unter Dauerbeschuss stehenden rechtschaffenen Muslime des Vereinigten Königreichs. Er stellte auch unter Beweis, dass der High Court seinem Einwand gegen seine sommerliche Suspensierung zurecht stattgegeben hat. Denn dieser Nazivergleich war doch schon wesentlich zivilisierter, qualifizierter und hilfreicher als der Letzte – weiter so! Jetzt müssen sie ihm nur noch diese Klospülungs-Geschichte austreiben…
Was übrigens die Ärgernis erregenden verschleierten Damen angeht: da berichtet diese britische Seite von einem wunderbaren Kompromiss.

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Sind wir nicht alle ein bisschen Nazi?

Ich möchte Euch folgenden Nazivergleich nicht vorenthalten, der dazu führte, dass eine FAZ-Ausgabe im September in Ägypten nicht ausgeliefert wurde:

"In der beanstandeten Ausgabe der FAZ vom 16. September hatte der Greifswalder Althistoriker Egon Flaig die islamische Geschichte als kriegerische Ausbreitung der Religion dargestellt. In ihrem Verlauf habe der Islam Andersgläubige grausam unterdrückt. "Wie der Nationalsozialismus die Menschen in Herren- und Untermenschen auf rassischer Basis spaltete, so hat es die Scharia auf religiöser Basis getan", schrieb Flaig. Als erste Weltreligion habe der Islam eine Apartheid geschaffen und riesige Territorien religiös "gesäubert". Die Pogrome im christlichen Europa seien in ihren Ausmaßen hinter jenen der islamischen Welt zurückgeblieben." (Spiegel Online – danke, Thersites!)

Was die Pogrome angeht, hat man hier glaub ich später doch ganz gut aufgeholt. Egal: lernen wir aus der Fülle der bereits gesammelten Vergleiche: offensichtlich kann jede Religion oder Religionszugehörigikeit ohne größere Probleme mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden (wenn man nur die nötige intellektuelle Verwirrung aufbringt), als da wären der Glaube an den Urheberrechtsschutz, Imperialismus, Linkspopulismus, Judentum, Zionismus, Anti-Antisemitismus, Patriotismus, Neokapitalismus, Neokapitalismuskritik, Antidiskriminierungsglaube, oder schlicht und einfach alle Religionen, um nur einige Angriffsziele zu nennen. Ich rate jedoch dringend von der Flucht in den Atheismus ab, weil der nicht nur die Wurzel des Nationalsozialismus, sondern auch noch des Bolschewismus und aller anderen Totalitarismen ist und somit Nazivergleicher magisch anziehen dürfte.
Und Obacht: schon durch die unbedachte Verwendung eines harmlos wirkenden Adjektivs kann man im Angesicht so manch eines Zeitgenossen zum Antisemiten werden. Da ist Cohu grade nochmal davongekommen!

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Freitags…

…ist ja traditionell Catblogging-Tag, daher jetzt ein besonderes Schmankerl, das ich, wenn ich denn schon Kategorien für mein Blog hätte, gleich mit “Süß!” und “Nazivergleich” taggen müsste. Kommt auch nicht so oft vor.
Nach den altbekannten Hunden, die ihren Herrchen ähneln und dem Lincoln-ähnlichen Eichhörnchen gibt es jetzt endlich auch Katzen, die wie Hitler aussehen! (via Cuteoverload)

Meine Ehre heißt: DRM

Dass dem einen oder anderen, außer sich über die Kopierschutz-Bestrebungen der Industrie, mal ein Nazivergleich rausrutscht, war ja zu erwarten. Dass das allerdings nicht bei Telepolis, sondern in der SZ, und dann auch noch direkt in einer Überschrift passiert, hat mich dann doch überrascht.
Die Industrie wird den Verbraucher jetzt anscheinend vor die Wahl stellen, ob er das neue Format HDTV nutzen und damit endlich sehen kann, wie gut erhalten Uschi Glas’ Haut tatsächlich ist – aber damit muss er strikte Copyright-Regelungen und einen rigiden Kopierschutz des neuen Formats in Kauf nehmen. Zudem bekommen die Rechteinhaber auch die Möglichkeit, “Saugern” besser das Handwerk zu legen, indem sie Verbindungsdaten von Providern anfordern dürfen.
Was man davon auch von dem allen hält: ob ein Vergleich mit einem “nationalsozialistischen, soldatischen Orden nordisch bestimmter Männer, von denen jeder bedingungslos jeden Befehl befolgt, der vom Führer kommt”, gerechtfertigt ist, finde ich doch zumindest fraglich.
(“Copyright Nazi” scheint mir als Schimpfwort übrigens bereits relativ verbreitet zu sein…)

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Sue the troll: Ausrottung der Naziverleiche?

Das Internetz, insbesondere Heise- und andere Foren, waren ja für den Nazivergleichsammler dank Godwin’s Law stets ein fruchtbares Jagdrevier. Zumindest in Großbritannien könnte diese erquicklichen Ausducksinstanzen der Meinungsfreiheit , sofern sie sich auf eine bestimmte Person beziehen, bald der Vergangenheit angehören. Eine Engländerin muss jetzt 10.000 Pfund (!) Schadenersatz zahlen, weil sie in einem Forum einen Politiker beschimpft hat, und zwar als “lard brain” “Nazi”, “racist bigot” und “nonce”.

“Tracy Williams, a college lecturer from Oldham, was ordered by a high court judge to pay £10,000 in damages, as well as Mr Keith-Smith’s £7,200 costs, and told never to repeat the allegations. “(Guardian)

Huch. Heißt es ab jetzt nicht mehr DFTT sondern “STT” (sue the troll)?

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Nazivergleich: on tape, on thread

Mein nimmermüder Nazivergleich-Informant Thersites hat mich netterweise auf zwei drollige Nazivergleiche hingewiesen, da wäre erstens ein Erdkundelehrer, dessen Vergehen von einem seiner Schüler nicht nur auf Band aufgenommen, sondern auch noch an eine Radiostation weitergereicht wurde. Er hatte Bush mit Hitler verglichen. Da fallen natürlich mehrere Dinge ins Auge:
1. “auf Band aufgenommen”?  “Tonband”? Hat das was mit “Microfiches” zu tun? Colorado ist wohl der einzige Ort der Welt, an dem junge Burschen noch nie was vom iTalk gehört haben.
2. Derartige Vergleiche gab es schon öfter. Ja, und den verschärften hier auch noch, weil ich den Chavez gar so gern mag.
3. Erdkundelehrer. Das mag jetzt eine sehr subjektive Aussage sein, aber: da sollte man immer vorsichtig sein. Ich hatte eine schreckliche Erdkundelehrerin, die einzige Frau, die ich je getroffen habe, bei der mir spontan das seltsame Wort “Gewitterziege” in den Kopf kam – Wunder der Assoziation! Wobei mich dieser Bennish, so von seiner Art her, jetzt spontan eher an meinen Geschichtslehrer erinnert. Es mag Zufall gewesen sein, aber nach meinem Referat über Marx bekam ich nur noch Einsen, davor waren es eher Dreier. Vermutlich hatte mich danach einfach das historische Bewusstsein gepackt.
Ich schweife ab. Im Heise-Newsticker geht es nazivergleichmäßig natürlich direkter zur Sache, da wird nämlich im Zusammenhang mit irgendso einem Open-Source-Programm, das am 20.April (übrigens der Geburtstag meines Vaters, meines Schwagers und des Vaters meines Schwagers, gell, da staunt ihr!) rauskommen soll, in einem geschmackvollen Thread, wie wir sie von Heisianern gewöhnt sind, von einer “Endlösung für Windows” gesprochen. Wie schon Susan Sontag sagt: “The discovery of the good taste of bad taste can be very liberating.” So, da hab ich jetzt passend zum internationalen Frauentag glatt noch eine Feministin zitiert!

(Bild: Wikimedia Commons)

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Nazivergleich: Die feine Englische

Tja, da weiß man jetzt gar nicht, ob das unter “Decline of a Nation” oder “Nazivergleiche” einzuordnen ist. Jedenfalls hat der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone (hier bereits schon mal rühmend erwähnt) einen kapitalen Nazivergleichsbock geschossen:

“…the mayor’s exchange last February with Oliver Finegold, a Jewish reporter for the Evening Standard newspaper. While being recorded, the mayor asked him: “Were you a German war criminal?” On being told the reporter was Jewish, he added: “Ah, well, you might be but actually you are just like a concentration camp guard, you are just doing it because you are paid to, aren’t you?”(Guardian)

Ein Disziplinarausschuss hat ihn jetzt für vier Wochen suspendiert, statt ihn, wie es ebenfalls möglich gewesen wäre, zu einem “Training” zu schicken; schön, sich vorzustellen, was man ihm bei diesem Training beigebracht hätte? Maul halten?
Am besten an der Geschichte mal wieder das Queen’s English: der Ausschuss bezeichnete Livingstones “Ausrutscher” als “unnecessarily insensitive and offensive.”
Ach, und im übrigen: für den Sammler ist der Nazivergleich noch unvollständig – ein Dementi oder gar eine Entschuldigung fehlt bis jetzt nämlich noch völlig…