Blogrolls sind ja so ne Sache. Erstaunlich finde ich immer wieder, dass man, wenn man sich nicht auf ein Thema festlegt, automatisch in die Blog-Kategorie "persönlich/privat" fällt. Dabei habe ich den Eindruck, im Vergleich mit anderen besonders wenig über Persönliches und schon gar nicht über Privates zu schreiben…siehe auch das Zahlenverhältnis in den Kategorien. Ich würde grundsätzlich sagen, dass man mich oder meine Persönlichkeit durch Lektüre meines Blogs überhaupt nicht kennenlernt. Evt. eher im Gegenteil.
Also, da muss man sich eindeutig anders positionieren. Ich hab mir da schon mal nen Plan überlegt, um als "politisch" oder "ernsthaft" wahrgenommen zu werden. Wenn wir schon beim selbstreferentiellen Bloggeschwafel sind, muss das natürlich in eine astreine Zehnerliste gegossen werden. Also hier: 10 Tipps, wie man ein ernsthaftes Blog schreibt.
(1) Kochrezepte und Berichte über Handarbeits-Hobbies weglassen (Verlinkungen auf "Mein Oldtimer-Club", "Meine Hardware" oder "Mein Fußballverein" dagegen würden vermutlich nicht weiter auffallen, aber halt bitte kein so Mädchenzeug!)
(2) Keine Kätzchen. Kätzchen gehen nicht. Und sowas geht schon mal gar nicht. Tiere allgemein nur im politischen Kontext, also; Kampfhunde, Heuschrecken, Problembären. Auch das bitte nur an Casual Fridays.
(3) Keine allzu ironischen Artikel schreiben, das wird immer falsch verstanden. Sarkasmus ist dagegen empfehlenswert.
(4) Unverzichtbar auch: eindeutige Stellungnahmen. Unentschiedenheit oder implizite Andeutungen sind was für Erstsemester und Mädchen. Besser: Strategie-Ratschläge für Volksparteien oder gar Gesellschaftsgruppen, ein Bild der Zukunft unseres Landes zeichnen, außenpolitisch klare Positionierung. Visionen!!! Dann auch: ernsthafte Besorgnis um die Zukunft. Katastrophenprognosen. Verbitterung. Und natürlich: Wahlempfehlungen. Auch zu Wahlen im Ausland. Dein Leser braucht Führung.
(5) Dazu: braucht man natürlich ne Hammer-Tagline. Sowas wie "Zukunft ist möglich" oder "Vision der Freiheit". "Sterbende Demokratie". "Schöne Neue Welt" . Oder "1984" – warum nicht. Hier gerne dick auftragen. (Was nicht geht, z.B: "Mehr Wichskabinen für Deutschland" oder "Geschichten aus crazy Cybermausi’s verrücktem Leben")
(6) Das richtige Logo. Mein blöder Frauen-Kopf muss natürlich weg (junge Frauen sind ja per definitionem privat), da brauch ich stattdessen ein – eindeutiges! – politisches Symbol. Justitia, äh, oder so ne Art RAF-Logo, statt Kalaschnikow ein Federkiel. Milton Friedman im Ché-Guevara-Stil. Sowas.
(7) Political Correctness. Man muss sich in der Frage eindeutig einem Lager zuordnen lassen. Entweder total dagegen oder absolute UnterstützerIn der entrechteten MinoritätInnen.
(8) Trolle. Man braucht Trolle und Flamewars. Dann zu einer willkürlichen Kommentarlöschpolitik übergehen ("Zensur").
(9) In diesem Zusammenhang: mehr Diskussionen über Antisemitismus. Henryk M. Broder muss da spätestens im 2. Absatz erwähnt oder zitiert werden. (siehe auch –> Flamewar).
(10) Schließlich: klare Blog-Gegner bzw. besser -Feinde, um über ungerechtfertigte Kommentarlöschungen auf anderen Blogs berichten zu können (siehe auch –> Zensur). Hierzu muss man u.U. selbst als Troll tätig werden, was einen Großteil der Zeit und psychischen Ressourcen in Anspruch nehmen kann.
Oh oh, ich sehe schon, ganz schön aufwendig. Eventuell bleib ich da doch lieber bei meiner zurückhaltenden Blogstrategie und -Tagline, die sich folgendermaßen erklärt:
"During the Civil War, newspapers on occasion published dispatches from the field under a cautionary note that read "Important, If True." (Peter Sandman)
"(…) the vast reaches of the Internet operate back in that land of “important if true.”
It’s like a big op-ed page with no editors and quasi-information that moves at the speed of light. At worst, it’s really terrible."(NYT editorial page editor Gail Collins, .pdf)
Wobei die letzten zwei Sätze doch auch schöne "Taglines" abgäben.