Mit Hilfe der Reproduktionsmedizin ist es gelungen, bei einer 64-jährigen deutschen türkischen Frau eine Schwangerschaft herbeizuführen. Das Kind kam vergangene Woche in einer deutschen Klinik zur Welt und ist wohl Produkt einer im Ausland vorgenommenen Befruchtung und Einpflanzung einer (gespendeten) Eizelle.
Der Kinderschutzbund und andere äußerten sich über den Vorgang empört. So etwas entspreche nicht dem Kindeswohl,denn, so das Hauptargument:
“Ein Kind sollte die Möglichkeit haben, das Erwachsenenalter mit Begleitung seiner Eltern zu erreichen.”
Interessant fände ich in diesem Zusammenhang, wie sich der Kinderschutzbund äußern würde zu einem Fall, in dem eine 30-Jährige eine Schwangerschaft anstrebt, die weiß, dass sie innerhalb der nächsten Jahre an einer schweren Erkrankung (z.B. Chorea Huntington) sterben wird. Würde man der Kranken – die davon ausgehen kann, dass sie noch 10 bis 15 Jahre zu leben hat – wirklich vom Kinderkriegen abraten?
Fast noch mehr interessieren würde mich die Ansicht des Kinderschutzbundes (und anderer Gegner der “Seniorenschwangerschaft”) zur absichtlichen Zeugung eines Kindes durch einen männlichen Senioren – haben Herr Beckenbauer (Vater mit 59) oder Herr Picasso (Vater mit 69) eine Ermahnung (zur Not post mortem) des Kinderschutzbundes zu befürchten, weil sie das Kindeswohl gefährden? Mal ganz zu schweigen von Anthony Quinn – Vater mit 82! Ob die Schwangerschaft “künstlich” oder “natürlich” herbeigeführt wurde, scheint mir in diesem Zusammenhang nicht weiter relevant zu sein.
Beachtenswert ist das moralische Urteil des Kinderschutzbundes aber nicht nur aufgrund sich anbietender Analogien, sondern auch, weil es, wie ich vermute, auf einer moralischen Verirrung beruht. Man verurteilt die späte Schwangerschaft, mit dem impliziten Argument, eine frühe Schwangerschaft – und damit das Aufwachsen des Kindes mit einer jüngeren Mutter – wäre besser gewesen. Zur Alternative steht aber gar nicht eine frühe Schwangerschaft mit dem betreffenden Kind, sondern… gar keine Schwangerschaft. Es wird, abstrahiert gesehen, also argumentiert, für das Wohl des betreffenden Kindes sei es besser, wenn es gar nicht erst gezeugt worden wäre – ein, wie ich finde, doch recht lustiges Ergebnis. Ich bin mir nicht sicher, ob der Kinderschutzbund das so wirklich meint.
Ganz aufschlussreich finde ich dann auch den Kommentar von Frau Stewens (Familienministerin Bayerns, CSU):
“Ich möchte das moralisch nicht bewerten, aber die Natur hat sich schon was dabei gedacht, dass man ab einem bestimmten Alter keine Kinder mehr kriegen kann.”
Die Weisheit der Mutter Natur als Ratgeber für Familienpolitik. Da bin ich jetzt einfach mal sprachlos.
[Edit: habe einem faz-Artikel noch ein paar genauere Angaben zum Fall entnommen und oben dementsprechend korrigiert/ergänzt]