Bei meinen Recherchen zu Mensch-Tier-Mischwesen bin ich auf eine Geschichte gestoßen, die sich so anhört, als käme sie aus einem T.C.Boyle-Roman. Oder jedenfalls so, als müsste irgendjemand dringend mal ein Buch drüber schreiben. Einige von Euch haben vielleicht vor ein paar Monaten der Boulevardpresse entnommen, dass “Stalin Affenmenschen züchtete” (der Bild.de-Artikel ist leider nicht mehr online, aber die BILDblog-Berichterstattung darüber).
Tatsächlich: In den 20er Jahren hat ein russischer Biologe, und zwar ein sehr renommierter – Ilya Ivanov – damals der Experte für künstliche Befruchtung, mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und der russischen Regierung, aber auch des Institut Pasteur in Paris, eine Expedition nach Afrika unternommen, mit dem Plan, dort Mensch-Affen-Hybriden zu züchten; genauer: Schimpansenweibchen mit menschlichem Sperma künstlich zu befruchten. Dreimal hat er’s versucht, erfolglos. Schließlich wollte er dann Afrikanerinnen – ohne ihr Einverständnis und Wissen – mit Schimpansensamen künstlich befruchten, was ihm – welch Ironie – glücklicherweise nicht gelang, weil die kolonialen Besatzer keine Schwarzen in ihrer Klinik haben wollten. Nachträglich beschwerte er sich auch noch über die “Rückständigkeit” der Afrikaner, die eine freiwillige Teilnahme von Frauen an seinen Experimenten verhinderte! Sympathischer macht einem das diesen Ivanov ja nicht, aber wartet ab… in Georgien wollten er, und sein Sohn und Assistent, schließlich das Gleiche mit Frauen der kommunistischen Avantgarde und einem Orang-Utan namens “Tarzan” (!) probieren, die (also, die Frauen) sich aus “idealistischen Motiven” angesprochen fühlen sollten: schließlich handelte Ivanov – von Anfang an – mit Unterstützung von ganz oben. (Wenn man den überaus aufschlussreichen und spannenden Aufsatz von Kirill Rossiianov zu Ivanovs Hybridisierungsversuchen liest, bekommt man übrigens den Eindruck, dass diese Faszination keineswegs nur in Russland existierte. Noch 1971 arbeitete ein Biologieprofessor aus Yale, Charles L. Remington, einen detaillierten Plan für die Herstellung und Aufzucht von Mensch-Affen-Hybriden aus.)
Naja, kurz gesagt: keines der Experimente von Ivanov funktionierte. Der glücklose Hybridiseur fiel dann auch noch bei der Regierung in Ungnade und kam, von der Geheimpolizei verschleppt, ins Arbeitslager. Ein paar Wochen nach seiner Entlassung und einen Tag vor seiner Rückreise nach Moskau starb er.
Was mein Fachgebiet, die Ethik, angeht, habe ich das jetzt noch gar nicht analysiert. Aber schon die Geschichte ist filmreif, finde ich. Ein bekannter Deutscher Großdeutscher des letzten Jahrhunderts wird vom Ivanov-Experten Rossiianov im Übrigen mit diesen Worten zitiert:
“The State is called upon to produce creatures made in the likeness of the Lord and not create monsters that are a mixture of man and Ape.”
Recht hat er, und entschuldigt, dass ich ihn nicht im deutschen Original zitiere: aufgrund der Rechtsauffassung des Freistaates Bayern ist an ein solches recht schwer heranzukommen…
10. March 2006 at 16:45
…war ER nicht ÖsterreichER?
10. March 2006 at 17:54
…wird ER mir diesen Fehler jemals verzeihen können?
11. March 2006 at 01:50
ich kanns. is nur knapp vorbei, oder wer will in diesem fall schon auf die mickrige salzach rücksicht nehmen?
11. March 2006 at 09:47
Habe grad nochmal nachgelesen (hier): als er das schrieb bzw. als das Pamphlet herauskam, war er staatenlos, davor Ösi und danach ab 1932 Deutscher. Insofern wäre Österreicher halt auch falsch.