Stimme der Vernunft

Vor zwei Stunden war es soweit. Was Deutschlandfunkhörer sich in ihren düstersten Träumen nicht ausmalen wollten,  wurde schreckliche Wirklichkeit: Elke Durak hatte ihren letzten Tag bei "Informationen am Morgen" und verabschiedete sich mit wenigen Worten. Im Sendungsarchiv kann man ihre Beiträge noch finden – bis ihre Stimme eines Tages auch aus diesen Speichern verschwinden wird, ohne große Verabschiedungsfeier, ohne Fanseite, ohne Sondersendung. Die bekam stattdessen der Intendant – der die meisten Hörer wirklich nur minimal interessieren dürfte. Ein einziges Bild ist von Frau Durak aufzutreiben und die knappen Zeilen:

"In Liebenwalde/Brandenburg geboren. Studium der Philosophie in Leipzig. Redakteurin Hauptabteilung Information beim Rundfunk der DDR. Redakteurin und Moderatorin (Zeitfunk/Politik) bei Stimme der DDR, Deutschlandsender Kultur und Deutschlandradio, Berlin. Redakteurin im Zeitfunk." (wir über uns)

Dabei war Frau Durak eine der ganz Großen. Der Tag, an dem Ihre angenehme, dunkle, lebhafte Stimme morgens aus dem Radio kam, konnte so schlimm nicht werden. Ihre beharrlichen Fragen munterten auf und ihre unerschütterliche Neutralität tröstete einen sogar über die unsäglichen Musikeinspielungen ihres Senders hinweg. Sie machte Interviews zu einer scheinbar mühelosen Kunstform – was einem erst dann auffiel, wenn an ihrer statt ein Kollege die Fragen stellte und mit den Wortblasen und Ausweichmanövern der Gesprächspartner hoffnungslos überfordert war. Frau Durak dagegen wusste die windigsten, öligsten Verbalwiesel mit ein, zwei gezielten Stilettstichen zu erlegen. Warum sie jetzt aus dem Äther verschwindet, werden wir vermutlich nie erfahren. Geht sie zu einem anderen Sender? Der Google-Alert ist eingerichtet. Hat sie schon das Pensionsalter erreicht? Man wünscht ihr in diesem Fall einen großen Garten, viele Katzen, und eine ordentliche Flasche Rotwein jeden Abend (oder ein ihrem sicherlich tadellosen Geschmack entsprechendes Äquivalent).

Der verlassene Hörer tröstet sich mit Garrison Keillor und Ira Glass, und findet es schade, dass das deutsche Radio seine Stars so wenig zu feiern weiß. Vielleicht müsste ihnen hierzulande auch mal jemand ein Fan-Blog widmen.


[Dabei fällt mir auf, dass sämtliche SchlaubiRadiosprecher und ihre Fans Brillen mit schwarzen Kunststoffgestellen tragen; Cohu eingeschlossen. Ein unwillkürlicher Geheimcode?]

(Bild via Wikimedia Commons)

10 Responses to “Stimme der Vernunft”

  1. Hannah Says:

    In die Reihe der verehrenswerten Radiomenschen möchte ich gerne noch Fi Glover stellen. Sie ist die wohl schlagfertigste Person von (BBC) Radio 4. Ihre Sendung Saturday Live ist leider in Deutschland nicht als Podcast abrufbar, aber immerhin kann man ihren Newsletter abonnieren. Es disqualifiziert sie höchstens die fehlende Brille.

  2. cohu Says:

    Na toll, und dieser IPlayer lässt mich jetzt nicht mal mehr den BBC4 Livestream abspielen 😦 Neumodischs Glump, neumodischs…

  3. hw Says:

    Tja, ich habs zuerst gar nicht begriffen was eigentlich los ist… Musik mit Stimme bei den Informationen am Morgen? Das war also ihr letzte Sendung. Die Hürden liegen hoch für die Nachfolger.Elke Durak ist eine Anti-Sabine-Christiansen: Nachfragen und bohren sind keine Beleidigungen.Es ist wenig über sie zu finden: Nur vielleicht dies hier

  4. Marsianer Says:

    Der Hörerservice antwortet auf nachfrage:"Ja, sie wird den Deutschlandfunk verlassen. Aber keine Angst: Sie geht uns nicht verloren, sondern wird ab Juli 2009 die Sendestrecke "Ortszeit" auf Deutschlandradio Kultur moderieren."Gruss Marsianer

  5. cohu Says:

    Vielen Dank für diese wichtige Information – werden den Wecker auf Deutschlandradio umprogrammieren und hoffen, dass sie uns bald wieder aufweckt! (Komisch, dass es bei der Verabschiedung keinen Hinweis darauf gab – schließlich ist das doch der Schwestersender…)

  6. phillip Says:

    Danke für die Informationen. Habe es eben gerade erst erfahren und bin gehörig verwundert.Wenn Sie selber ging, stellt sich die Frage, warum wurde nicht alles getan Frau Durak zu halten.Wenn Sie gegangen wurde, stellt sich eine Frage, die ich hier nicht hinschreiben darf. Da ist meine gute Erziehung vor.Ich werde die bohrend-höflich-respektvollen Nachfragen sehr vermissen.

  7. Elimar Says:

    Ich fragte mich schon seit ein paar Wochen, wo Elke Durak ist.
    Ich bin Deutschlandfunkhörer seit Jahren und hatte sie vermisst.
    Nun denke ich, google mal, und bin entsetzt, dass sie nicht mehr beim Deutschlandfunk ist.

    Sie war eine Journalistin, die sich kein X für ein U vormachen ließ und hat immer, wie für eine unabhängige Journalist gehört, nachgefragt, wenn sich unsere Politiker mit dummen Sprüchen herausgeredet haben.
    Schade, ich bin entsetzt.

    Gilt eigentlich freier Journalismus nichts mehr, siehe Brender, Armes Deutschland

  8. Thomas Reuter Says:

    Ich kann dem Autor nur beipflichten: habe die kritische Haltung und Beharrlichkeit von Elke Durak in “Informationen am Morgen” immer sehr geschätzt. Mit Dirk Müller hat der DLF zwar einen ähnlich engagierten und talentierten Journalisten, doch der Verlust von Frau Durak ist damit noch lange nicht kompensiert.
    Vor einiger Zeit schon gab es einen ähnlich schwer wiegenden Abgang beim DLF zu beklagen: Wolfgang Koczian.
    Unvergesslich werden mir seine Bezüge auf historisch oder kulturpolitisch bedeutsame Ereignisse und Figuren bleiben, mit denen er die Tagesaktualität zu kommentieren oder auch zu relativieren wusste. Ich frage mich mittlerweile, ob im von mir sehr geschätzten DLF im eigentlichen Sinne liberalen Freidenkern oder weniger pathetisch unabhängig auftretenden Journalisten konsequent das Mikrophon abgedreht wird.

  9. 50 Jahre Deutschlandfunk – eine kleine Lobhudelei! » broeckelmann.info Says:

    […] rannehmen und nachhaken, wenn sich diese rauswinden. Ganz besonders hat mir dabei immer Elke Durak gefallen, die seit ein paar Jahren leider nur noch beim DLF-Schwestersender Deutschlandradio Kultur […]

  10. wolfgang weidemann Says:

    als ich vor ein paar Monaten unüblicherweise an die Ortszeit geriet, traute ich erst einmal meinen Ohren nicht und hätte beim abendlichen Zähneputzen fast die Bürste verschluckt vor Freude. Durak is back! Entzugserscheinungen werden zum Normalzustand zurückgeführt. Die sabine-adler-ist auch-noch-weg-frustration wird kompensiert. Es geschehen noch Zeichen und Wunder!


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