Oxford Dispatch: Augen zu und durch

Angesichts der momentanen Hysterie kann eine Institution wie die University of Oxford nur mit den Schultern zucken: hier hat man schon ganz anderes mitgemacht. Dabei war der zweite Weltkrieg an der "home front" noch das kleinste Übel (mein College etwa war gezwungen, große Teile seines Gartens für den Kartoffelanbau zu opfern, eine Schande, die noch heute tief im kollektiven Bewußtsein von Lady Margaret Hall verankert ist). Im neunzehnten Jahrhundert rafften Cholera-Epidemien zahlreiche Oxforder dahin, wobei jedoch die Colleges davon eher nicht betroffen gewesen sein dürften: sie lagen nicht in Sümpfen und hatten anständige Abwasserrohre. Gottseidank hatte die Cholera zudem das richtige Timing, wie ein Herr Cox in seinen "Recollections of Oxford" 1868 bemerkt:

"It is very remarkable (we may well call it providential) that the cholera on its two appearances in Oxford broke out at the commencement of the Long-vacation, and happily went down as the young men were beginning to come up for the Michaelmas Term."

 

Es gab Schlimmeres: etwa die Pest, die dutzende Male über Oxford hereinbrach, die Colleges nicht verschonte, und es 1575 sogar erforderte, den Beginn des Michaelmas-Terms nach hinten zu verlegen, wie ich einem NYT-Artikel von 1883 entnehme, der mit den schönen Worten schließt:

"Such were the sanitary difficulties under which academical studies were carried on in what posterity has been taught to regard as the golden age of Elizabeth"

Die größte Katastrophe lag allerdings wohl im Englischen Bürgerkrieg: König Charles der 1. suchte sich ausgerechnet Oxford, bzw. Christ Church, als Stützpunkt für seinen aussichtslosen Kampf aus. Einige der dadurch entstehenden Unannehmlichkeiten kommen dem modernen Bewohner von Oxanforda ziemlich bekannt vor:

"So many soldiers in the streets led to so much brawling that the sale of alcohol was forbidden after nine in the evening. Oxford scarcely functioned as a university at all." (Oxford and the English Civil War)

Am schlimmsten traf das intellektuelle Oxford wohl die Plünderung ihrer großartigen Bibliotheken durch Soldaten Edwards des 6.: das ist aber jetzt auch schon ein paar Jahrhunderte her und inzwischen ganz gut verkraftet.
In dieser Tradition stehend können die Studenten der Universität Oxford den momentanen Aufruhr nicht nachvollziehen. Das sieht man z.B. deutlich, wenn man Homepage der Studentenzeitung Cherwell aufschlägt: seit Tagen wird sie von der Meldung dominiert, dass Studenten nach dem Besuch einer Schaumparty einen Hautausschlag bekommen haben ("Hives outbreak after Coven foam party"). Ganz klein daneben findet man den Vermerk, dass die Universität in einer lästigen Angelegenheit (irgendwas mit Island?) 30 Millionen Pfund verloren hat. Keine Panik: es handelt sich dabei nämlich lediglich um läppische fünf Prozent des Uni-Vermögens. Des Barvermögens, wohlgemerkt.

Was soll man sich also groß aufregen? Am wichtigsten ist immer noch das hier.

 [Illustration: George Cruikshank, 1831, Beratung des "Zentralen Gesundheitskommittees" über die Cholera –  "Long life to our Central Board – "In medio tutissimus bibis", as we say in the classics!" – "I drink Reform in our Hospitals, may they close their doors against the public and the poor die in Hackney coaches!" – "I pledge myself to keep some cases aflout!" – "May we preserve our Health by bleeding the Country!".Gefunden bei Zeno.org]

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