Das ist ja mal ein erstaunlicher Nazivergleich – ein bekannter Professor der Harvard Law School, Alan Dershowitz, meint in einem ansonsten ganz vernünftigen Zeitungskommentar, der kritisch mit der Wahlkampfstrategie der U.S.-Demokraten umgeht, man könne bzw. solle Folter nicht in allen Fällen von vorneherein ablehnen. Kann man vertreten.
Erstaunlich ist aber dieses von ihm angeführte Argument: die Nazis hätten gefoltert und damit im Kampf gegen die Résistance große Erfolge erzielt, daher sei das Argument, Folter sei eh überflüssig, nicht wirksam. Ne, der schreibt das wirklich:
"There are some who claim that torture is a nonissue because it never works–it only produces false information. This is simply not true, as evidenced by the many decent members of the French Resistance who, under Nazi torture, disclosed the locations of their closest friends and relatives." (Wall Street Journal)
Inhaltlich ist daran natürlich überhauptnichts auszusetzen. Vermutlich hat er recht, Folter funktioniert in bestimmten Fällen.
Wenn ich eine geschmacklose Zeitung herausgäbe, wäre ich trotzdem versucht, zu titeln: Folter – die neue Autobahn?
(Bild: Stephan Jauch/Wikimedia Commons)
19. November 2007 at 21:03
Hm. Der Umstand, dass man unter Folter seine nächsten Freunde und Verwandte verrät, soll also ein Beleg dafür sein, dass Folter "funktioniert". Ähnlich liesse sich die Tatsache, dass die meisten Folteropfer ihr Leben lang physisch und psychisch an den Folgen leiden, als Beweis dafür werten, dass Folter "wirkt". Stimmt genauso.Über die "Nützlichkeit" von Folter sagt das natürlich nichts aus. Es sei denn, man nimmt die Perspektive des Folterknechts ein. Der hält ja sein Opfer für den Täter (sonst würde er ihn nicht foltern) und damit die Denunzierten als Mittäter, weil der Täter sie nennt (und der muss es ja wissen).Vermutlich würde Dersh (wie er liebevoll von amerikanischen Juristen genannt wird) auch die von den Inquisitoren praktizierte Folter als erfolgreich werten, da sie hat ja schließlich zum Aufspüren vieler Hexen geführt.
19. November 2007 at 23:03
Dem traditionell frankophoben U.S.-Amerikaner wird es vermutlich sowieso schwer fallen, Dersh’s Argument nachzuvollziehen. Dem amerikanischen Stereotyp entsprechend hätte der Franzos die Résistance schon *ohne* Folter, ja, schon ohne die bloße *Androhung* von Folter verraten! Über den mutmaßlichen Foltererfolg bei Arabern sagt das also gar nichts aus.(Ich erinnere in diesem Zusammehang an den republikanischen Kongressabgeordneten namens Blunt (nomen omen), der mit diesen Brüllern glänzte:"Do you know how many Frenchmen it takes to defend Paris? It’s not known, it’s never been tried."Und: "Somebody was telling me about the French Army rifle that was being advertised on eBay the other day — the description was: ‘Never shot. Dropped once.’")