Vor einiger Zeit begeisterte der Deutschlandfunk seine Hörerschaft (die üblicherweise, wie ich vermute, nur aus mir besteht) mal wieder mit einem seiner feinen Features: es ging um eine Demontage der Tagesschau unter dem Titel "Die Tagesshow" (dort jetzt auch als MP3 zum Nachhören!).
Cohu – ihrerseits auch nicht der größte Fan dieser Sendung – war ganz begeistert, wurde da doch endlich mal mit dem Mythos aufgeräumt, die Tagesschau sei das tollste, seriöseste und zuverlässigste Medium unserer Tage (wie wir ja vom Münchenblogger wissen, ist das vielmehr die Seite 3 der SZ). Nun gibt’s, wie der Spiegel berichtet, das Ganze auch als Buch. Während Cohu in ihrer Tagesschaukritik üblicherweise bei der Bekleidung der ModeratorInnen ansetzt, bei sprachlichen Feinheiten weitermacht und spätestens bei irgendeiner Meldung über Sozialreformen ob der eingeblendeten Standard-Bilder von Rentnern und Kleinkindern vor Lachen auf dem Boden liegt, hat der Autor Walter von Rossum einen etwas tiefer gehenden Ansatzpunkt: die Tagesschau dreht und wendet die Fakten so lange, bis sich daraus eine "Geschichte" erzählen lässt. Die These dahinter: alles andere ist langweilig und dem Zuschauer nicht zumutbar. Kritisch hinterfragt oder erklärt wird kaum: stattdessen gibt’s "Stories", "Inszenierungen", die zum einen Ohr rein, zum anderen raus gehen – Widersprüche werden übertüncht. Oder könnt ihr Euch 10 Minuten nach der Tageschau noch an irgendeine der dort runtergeplapperten Meldungen erinnern? Der Spiegel ist kritisch, der findete die ARD immer noch besser als andere, denn:
— selbst wenn Eisbär Knut Paris Hilton eine Brustentzündung wegleckte – es ist sehr wahrscheinlich, dass die "Tagesschau" hier cool bleiben und schweigen würde. (SPON)
(was man, nur am Rande, von Spiegel Online nicht sagen kann). Die größten Idiotien, da hat der Spiegel recht, sind in der Tagesschau nicht Promi-News, sondern die Eigenwerbung. Wenn mindestens einmal wöchentlich ein öffentlich-rechtlicher Groß-Intendant den Kopf ins Bild streckt und erklärt, was die ARD alles leistet, dann wünscht sich sogar Cohu sehnsüchtig eine Meldung über Knut oder Paris…
(Damit keine Verwirrung aufkommt: ich habe immer noch keinen Fernseher, schaue aber ab und zu den Tagesschau-Livestream).
30. September 2007 at 20:15
Die Tagesschau war aber immerhin so souverän, auch in ihrem Blog auf das Feature hinzuweisen — ohne allerdings eine Diskussion zu führen. Zum Thema: welche Alternativen zur "Tagesschau" siehst Du denn innerhalb des Mediums? Die Beantwortung dieser Frage wird allerdings durch den Besitz eines TV-Empfangsgeräts und längeren Konsum der darüber verbreiteten Inhalte erheblich erleichtert…(und die Bemerkung zu Münchenblogger: köstlich)
1. October 2007 at 08:08
"welche Alternativen zur "Tagesschau" siehst Du denn innerhalb des Mediums?"Keine, deshalb hab ich ja keinen Fernseher 🙂 Ne, da fällt mir echt nix ein. Mir fällt auch keine bessere (deutsche) Zeitung ein als die SZ, hab trotzdem (und trotz Seite 3) mein Abo abbestellt… Von der Tagesschau würde ich gar nicht erwarten, dass sie auf solche Fundamentalkritik eingeht. Der Rossum zieht sie dermaßen in den Dreck, dass man darauf nicht konstruktiv reagieren kann, find ich. Deshalb ist es ja so lustig zu hören/lesen!
1. October 2007 at 13:31
Nein, die Hörerschaft des DLF besteht auch noch aus mir.
1. October 2007 at 15:06
@probek: "welche Alternativen zur "Tagesschau" siehst Du denn innerhalb des Mediums?"Als ich den ORF noch empfangen konnte, habe ich gerne die ZIB gegeuckt, auf 3sat wird um 22 Uhr noch die ZIB 2 gezeigt.Gerade Außenpolitik (und damit meine ich jetzt nicht die österreichische Innenpolitik… ;-)) wird dort fundierter dargestellt.