Cohu’s Bücher

Die Verlage fürchten sie, die Autoren zittern, die Feuilletonisten erwarten sie sehnsüchtig, und Trauben von Journalisten von FAZ bis 3Sat stehen mit gezückten Mikros unten vor der Tür: es ist mal wieder Zeit für Cohu’s Abrechnung mit den Urlaubsbüchern 2007.

Johnathan Safran Foer: Everything is Illuminated (2002)
Selten ein Buch gelesen, bei dem durch Besprechungen geweckte Erwartung und tatsächliches Lesevergnügen so weit auseinanderklafften. Der “Borat”-Stil des Ukrainischen Reiseführers ist reizend (und war auch sicher viel Arbeit), aber ansonsten kann ich damit einfach nichts anfangen. Kann auch ein Zeichen dafür sein, dass ich eiskalt bin und kein Herz habe, denn nach diversen Kritiken bringt die Lektüre dieses Wunderkind-Werks selbst den härtesten Knochen zu wahren Tränenströmen. Cohu hat höchstens mal gekichert. Bin ich ein Psychopath?

Ian McEwan: Black Dogs (1992)
Nochmal Nazis, zumindest am Rande. Den “Zementgarten” fand ich ja wirklich super. Der kann nämlich schon ganz erstaunlich gut schreiben, der Herr McEwan, auch hier. Ganz schön unheimlich. Aber viel mehr ist, find ich, an dem Buch nicht dran. (Was das mit den schwarzen Hunden auf sich hat, kann sich ein verderbtes Ding wie Cohu schon bei ihrer ersten Erwähnung denken…).Für eine Kurzgeschichte hätt’s gereicht, aber nicht für einen Roman.

Zadie Smith: On Beauty (2005)
Nochmal ein Wunderkind. Und es geht um einen Familienroman, das liegt Eurer Rezensentin. Es ist auch richtig “readable”, so zum Runterlesen am Strand: super. Allerdings hat man nach ca. ner halben Stunde auch schon wieder vergessen, worum es ging, und die Charaktere wecken (vielleicht bis auf Levi) kein besonderes Interesse, da sie sich eh nicht entwickeln oder ändern. Naja, aber das kann man schon empfehlen.

Orhan Pamuk: Schnee (OA 2002)
Um Gottes willen, war das langweilig. Da begebe ich mich mit der Einführung eines das Türkentum verunglimpfenden Werkes in die Türkei in Lebensgefahr, und dann sowas. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, jemals ein Buch mit einem so lätscherten, unsympathischen und weinerlichen Protagonisten gelesen zu haben. Als es (für ihn) schlecht ausgeht, atmet man regelrecht auf. Dabei ist “Schnee” laut Cohu’s Schwester noch das spannendste Buch von Pamuk…naja, jetzt nehmen wir einfach mal an, dass es an der Übersetzung liegt. Denn sonst hätte der ja wohl kaum den Nobelpreis bekommen, mit so einem gaaaanz langweiligen, literarischen Zeug, oder? Hab ich Recht?

Alaa al-Aswani: Der Jakubijan-Bau (2002)
Angeblich der Roman über das moderne Ägypten. Wenn dem so ist, möge die ägyptische Literatur noch etwas an sich arbeiten. Das ist aber trotzdem ein ganz solides, mitreissendes Buch, das viel von einer Seifenoper (also, wohl am ehesten von der Lindenstraße) hat und einem tatsächlich die ägyptische Gesellschaft etwas näher bringt. Durchaus empfehlenswert!

Friedrich Glauser: Matto regiert (OA 1936)
Ein Krimi, der in einer schweizerischen Irrenanstalt spielt (in der wohl der Autor selbst so manche Zeit verbracht hat). Cohu ist ja ansonsten keine Krimi-Liebhaberin, aber für Glauser mache ich eine Ausnahme, weil das ja schließlich auch (einer der ersten) “literarischen” Krimiautoren ist. Besonders interessant fand ich die Anmerkungen und den Editorischen Bericht (Ausgabe des Limmat Verlags Zürich, 1995)

Herman Melville: Bartleby (1853, in: Billy Budd and Other Stories, Penguin 1986)
Die surreale Geschichte des Schreibers Bartleby muss jeder gelesen haben. Hier kann man das sogar im Internet. Los, auf geht’s! Und ich will jetzt nicht hören “I would prefer not to.”

Henry David Thoreau: “Walden, or, Life in the Woods”(OA 1854), and: “Civil Disobedience” (Signet Classic, 1960)
Aha, jetzt kommen wir zu den guten Büchern. Walden muss nämlich auch jeder gelesen haben. Böse Zungen behaupten, das wär stinklangweilig, weil Thoreau sich seitenlang über die Tiefe seines Tümpels und das Leben von Eichhörnchen auslässt. Lirum, larum! Das Buch wird gelesen, meinetwegen auch da. Zumindest die Economy. Was für ein erfrischender Liberaler, ganz ohne Produktionswahn und Konsumfetischismus! Sonst will ich hier nämlich keinen, auch nur den leisesten, Globalisierungs- oder Kapitalismuskritischen Ton hören. Wer den Thoreau nicht kennt, braucht da gar nicht mitreden. Schluss, aus, Nikolaus!

Marisha Pessl: Special Topics in Calamity Physics (2006)
Wir haben einen Gewinner! Vom etwas Schnulzroman-artigen Cover bitte nicht abschrecken lassen, weiß nicht, was die sich da gedacht haben: es ist ein Thriller. Der ist fast so gut wie “The Little Friend” (Donna Tartt), nur noch etwas lustiger. Hat auch was von Eugenides. Aber Obacht. Das Ding hat 668 Seiten. Wer es aufschlägt, sollte darauf gefasst sein, bis zum Ende der Geschichte nicht mehr ansprechbar und nur eingeschränkt zur Arbeit, Sozialkontakten oder anderen Freizeitbeschäftigungen fähig zu sein. Eine ganz nette Internetseite hat das Buch übrigens auch. Ein großer Spaß!
[Beweis dafür, dass es keinen Gott gibt: die Autorin ist 27 und sieht so aus. Der SPON-Rezensent schäumt ob dieser Ungerechtigkeit vor offensichtlichem Neid derart über (“Steril wie ein Satz OP-Handschuhe”), dass er einem regelrecht leid tut…ach, Herr Henning, sie werden mit ihrer Schreibe sicher auch noch berühmt. Und schön. Und jung. Im nächsten Leben.]

4 Responses to “Cohu’s Bücher”

  1. Oweh Says:

    Bartleby hatte ich auch vor ein paar Monaten beim Gutenberg entdeckt. Das früher vorhandene Buch verschall (die deutsche Sprache ist so unkomplett. Ich denke nur an "sit". Doppelplusungut.), und so konnte ich mich gar nicht mehr so recht erinnern an die Feinheiten. Jetzt hab ich einige Kollegen wiedererkannt.

  2. felix Says:

    Die Pessl steht schon länger fest auf meinem Weihnachtswunschzettel betoniert. Danke für die moralische Unterstützung des Weiterwünschens.Vom Foer fand ich den Titel irgendwie ganz nett. Aber werd ich mir dann mal nicht zulegen.

  3. Blog Queen Says:

    Bei Foer gebe ich Dir recht. Ich fand ihn auf Englisch sehr anstrengend und ziemlich unzugänglich. Der Nachfolger, Extrem Laut und Unglaublich Nah, war ein krasses Gegenteil, sehr verletzlich und zart; auch der Schreibstil war sehr anders.Obgleich sich der Film "Everything is Illuminated" einiger künstlerischer Freiheiten bedient, war er doch brilliant und so viel besser als das Buch (wie oft kann man DAS behaupten?).My two cents…

  4. cohu Says:

    Ah ja, wußte gar nicht, dass es das als Film gibt, werde ich mal bei Gelegenheit ausleihen. Wenn das so ist, kommt "Incredibly close…" doch noch auf meine Wunschliste, dann gebe ich dem Herrn Foer noch eine Chance!


Comments are closed.

%d bloggers like this: