Die NYT berichtet, dass jetzt auch einige amerikanische Unternehmen auf die Idee kommen, dass das übliche Bürodrohnen-(bzw. Batteriehuhn-)dasein mit 40-80 Stunden die Woche, die man per Stechuhrdrohung – wie das schon heißt, Stechuhr! – am Arbeitsplatz festgehalten wird, weder artgerecht ist noch zu besonders guten Ergebnissen führt, jedenfalls in dem Bereich der Erwerbsarbeit, den “knowledge workers” besetzen. Einige superduperschlaue Leute haben nämlich festgestellt, dass in Wirklichkeit nur 8-24 Stunden dieser “Arbeits-“Zeit produktiv genutzt werden (und tatsächlich “Output” hervorbringen, wie man das heute so schön modern sagt). Und dass lange “Arbeits-“Zeiten die Effizienz sogar vermindern.
Ich kann meine Freude darüber nicht verhehlen, denn die Behauptung mancher (Promotions-)Kollegen, sie “arbeiteten” jeden Tag etwa 8 Stunden in der Stabi an ihrer Diss, kam mir doch immer etwas zweifelhaft vor (übrigens vermute ich, dass die Produktivitätsquote pro Stunde in der Stabi, seit es dort Internetz gibt, um mindestens 30% gefallen ist. Aber zum Ausgleich hat die Stabi ja jetzt auch bis 12 Uhr Nachts auf, wie ich heute erfahren habe.)
Da fast nichts Spaß macht ohne ein schönes Akronym, haben sich die Amerikaner ein solches einfallen lassen, nämlich ROWE, will sagen Results Only Work Environment. Die Glücklichen, die statt im corporate kindergarden (inklusive Privat-Internetverbot und Handysperre, damit auch in Kreativitätspausen brav dumm in die Luft gestarrt wird!) in einem solch himmlischen Arrangement arbeiten dürfen, können heimgehen, wenn sie fertig sind, und wenn nichts zu tun ist, brauchen sie gar nicht zu kommen oder können erstmal ausschlafen. Arbeiten muss man trotzdem, aber ohne die Stechuhr im Nacken. Angeblich stieg nach der Einführung dieses Systems sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch der Output sprunghaft an. Auch in anderen Bereichen macht man ja die Erfahrung, dass Menschen sich wie Erwachsene benehmen, sobald man sie nicht mehr wie Kleinkinder behandelt.
Im Rahmen der Verbesserung ihres eigenen ROWE-Environments hat sich Cohu gleich mal das schöne Buch “Write Your Dissertation in 15 Minutes a Day” bestellt. Der Titel schießt vielleicht etwas über’s Ziel hinaus, die Idee jedoch, lieber wenige Stunden die Woche – dafür mit Freude und sehr effizient – an der Diss zu sitzen, als bis um 12 Uhr nachts in der Stabi, weil – klassischer Fehler – “ich heut noch gar nichts geschrieben habe!”, scheint mir eine Gute zu sein.
Langer Artikel, Zeitverschwendung? Um es mit der NY Times zu sagen: perhaps it’s well spent. Und besser als Solitär ist Blogartikellesen allemal. Vorsicht, der Chef kommt!
5. June 2007 at 11:37
Na wenn Du da mal nicht an der Kernaussage des Buchtitels vorbei geschrammt bist, schliesslich ergibt sich die meiste ineffiziente Zeit beim lästigen Schreiben der Dissertation nicht aus potentieller Ablenkung vom Thema, sondern am Wierderauffrischen nach allzu langer Pause. Möglich also dass die Betonung nicht auf "fifteen minutes" sondern auf "a day" gesetzt ist.Alles andere ist ohnehin reine Verzögerungstatik um den Auszug aus dem Elfenbeinturm heraus zu schieben.
5. June 2007 at 12:21
Klar, deshalb erwähnte ich ja auch, dass das mit den 15 Minuten etwas über’s Ziel hinausschießt. Tatsächlich ist es laut Frau Bolker am wichtigsten, jeden Tag (Arbeitstag) zu schreiben, erstmal egal was, um eine "writing addiction" hervorzurufen. Praktiziere das selbst (es wird immer was geschrieben, auch wenns nur wirre Notizen sind, oft wird einem ja dann klar, was das Problem ist).Nach wie vor glaube ich nicht, dass irgendjemand (Nobelpreis-Genies ausgeschlossen) an einer geisteswissenschaftlichen Arbeit länger als 3 Stunden am Tag tatsächlich produktiv arbeiten kann. Eher sind es weniger. Liege gut im Zeitplan, also scheint das mit dem "Results only" zumindest bei mir zu funktionieren 🙂
5. June 2007 at 12:40
[Quellensuche und -Rezeption natürlich ausgenommen. Nicht, dass sich jetzt jemand daran hält und dann erst 2023 Doktor wird…]
5. June 2007 at 17:54
Was bei mir als Beschleuniger ungemein geholfen hat: Beim Tippen die Alben von The Prodigy zu hören. Da legt man eine Tippfrequenz an den Tag die sich gewaschen hat.Bis zur Doktorwürde hat es danach aber dennoch etwas gedauert, da es zwar flott getippt war, aber über zwei Jahre benötigte um von einem der hoch vereehrten Gutachter auch gelesen zu werden.