Jetzt hatte ich mich schon gefreut, dass sie den Hahne endlich vom ersten Platz der Spiegel-Sachbuch-Bestsellerliste vertrieben haben – eine Schande für Deutschland, dieses Pamphlet und seine überschwengliche Rezeption von den Volksmassen! Aber ich befürchte fast, der Schirrmacher ist nicht viel besser. Oh Gott, was habe ich gelitten bei der Lektüre seines Methusalem-Komplotts… [Bemerkung am Rande: ich frage mich, ob andere bei dem Birnenmatsch, den es manchmal in Mensa, Kantine oder Krankenhaus gibt, auch immer spontan “Methusalem-Kompott” denken, aufgrund der Zahnfleischfreundlichkeit!]
Über Konkurrenten auf den ersten Plätzen muss man nicht viele Worte verlieren, einziger Trost: Harry G. Frankfurt’s “Bullshit” (über das ich hier vor ca einem Jahr schon mal berichtet hatte) auf Platz 5. Das lässt hoffen. Zumal es vor ein paar Wochen noch viel schlimmer aussah, zumindest laut Deutschlandfunk vom 3.3.:
“Die Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch ist im März 2006 die schlechteste aller Zeiten. Mit Deutschland geht es bergab! Nur noch saufende Schauspieler, durchgeknallte Beziehungstherapeuten, missionarische Heilpraktiker, neokonservative Fernsehspießer und prüde Medizinprofessoren.” (Lektüre des gesamten, sehr amüsanten Artikels dringend empfohlen)
Die Belletristik-Bestsellerliste ist für mich noch nichtssagender (nichtsiger sagend? noch weniger sagend? Sick, hilf!), schon wegen der darin enthaltenen unsäglichen Schundwälzer à la Schätzing und Kinkel und vor allem aufgrund der zahlreichen Übersetzungen aus dem Englischen, die man bei Beherrschung dieser schönen Sprache – abgesehen von Glücksgriffen wie Harry Rowohlts Übersetzungen David Sedaris’ – ja eher meidet.
Jetzt hat mir der Jungforscher – Gratulation übrigens zur ersten Publikation! – auch mal den Kehlmann geliehen. Einem geliehenen Gaul schaut man zwar prinzipiell nicht ins Maul, aber der Verleiher hatte mich derart vor dem Buch gewarnt, dass ich schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, es überhaupt durchlesen zu können. Ja, überraschenderweise war ich dann jedoch lediglich leicht genervt und gelangweilt. Selten war es mir derart wurscht, wie es mit den Protagonisten weitergeht, weil sie ja eh beide unsympathische Kerle sind. Also, sollte man das jetzt sozusagen intrinsisch interessant finden, was Gauß und Humboldt so getrieben und gesagt haben (oder auch nicht), weil die halt irgendwie berühmt waren? Oder wie? Und wieso muss das dann in Romanform stattfinden, diese Anekdötchen? Große Männer unter sich, na ja… Der oben bereits zitierte Literaturkritiker des Deutschlandfunk, Denis Scheck, sagt es so: “Der größte Einwand gegen ihn sei nicht verschwiegen: es ist ein bisschen ein Schweinchen-Schlau-Roman.” Die vielbeschworene Komik konnte ich beim Kehlmann übrigens nicht entdecken (vielleicht muss man bei mir aufgrund einer fortschreitenden Fry-Intoxikation inzwischen schärfere Geschütze auffahren…). Lesen kann man das schon, aber vielleicht wird der nächste Roman ja besser.
8. April 2006 at 16:22
vielleicht Nichts sagender, nichts Sagender? Der Schweinchen Schlau Roman läßt sich aber hübsch runterlesen, das genügt doch meistens.
9. April 2006 at 10:39
Das dünne Büchlein kostet ja immerhin 19,90 und ist an einem Abend erledigt. Also, gekauft hätt ichs nicht, aber wenns nichts kostet kann man es schon hinter sich bringen…