Just say no

Cohu hat ja eigentlich einen persönlichen Korrespondenten in Dublin, aber da ich mit dem schon in der Ascona-Angelegenheit so schlechte Erfahrungen gemacht hab, bin ich erstmal auf die deutschen Medien angewiesen, was die Berichterstattung über das irische Nein zum EU-Reformvertrag angeht. Und siehe da: die legen sich richtig ins Zeug. Ein Reporter vom Deutschlandfunk ist sogar extra auf einen irischen Kälbermarkt gefahren, um echte Iren dazu befragen, warum sie denn den Vertrag abgelehnt haben (leider nicht online).
Gut, man könnte eventuell einen Politikwissenschaftler interviewen oder auch jemanden von einer irischen Anti-Europa-Initiative – aber ein echter Ire ist es halt nur, wenn er zahnlos, rotnäsig und des Queen’s English nicht mächtig auf nem Viehmarkt rumsteht. Die Erklärungen der Herren Bauern sind denn auch nicht besonders komplex: man habe sich einfach verarscht gefühlt von der Regierung, man habe nicht gewußt, worum es geht, selbst Gebildete Leute hätten es einem nicht erklären können, und da habe man eben für Nein gestimmt. Der Reporter ist geschockt ob solcher Ignoranz und der Rückständigkeit Irlands – in jedem anderen Land der EU träfe man schließlich auf exakt vorbereitete Talking Points, wenn man Landwirte um 6 Uhr früh auf dem Viehmarkt zu Politik befragen würde!
Besonders aber schockiert ihn die "Undankbarkeit" der Iren, schließlich hätten doch gerade die Landwirte in den letzten Jahrzehnten massiv von den EU-Subventionen profitiert. Einer der Bauern sagt ihm dann dazu den schönen und wahren Spruch: "Eaten bread is soon forgotten." Aber das befriedigt den Reporter nicht, er schließt den Bericht mit den sinngemäßen Worten, die Iren müssten sich verdammt noch mal schämen.

Seltsam, sehr seltsam. Dankbar sollen Nationalstaaten jetzt sein? Wenn ich mich recht entsinne, wurden solche Argumente vor dem Irakkrieg auch gerne gebracht. Die USA warfen uns und anderen Europäern "Völlige Undankbarkeit" vor. Schließlich haben die uns – schon vergessen? – vor ein paar Jahrzehnten mal vom Tyrannen befreit, und "Wenn es nicht die heldenhaften Anstrengungen unseres Militärs gegeben hätte, wären Frankreich, Deutschland und Belgien heute sowjetisch-sozialistische Republiken." Das Argument wurde, wenn ich mich recht entsinne, damals als vollkommener Blödsinn abgetan und nicht weiter beachtet, und das zu Recht. Im Falle Irlands ist die Beschwörung von Solidarität noch weniger nachvollziehbar: die haben massig Geld bekommen, richtig. Und jetzt sollen sie einen Teil ihrer staatlichen Souveränität dafür aufgeben, soso. Wenn das so einfach funktionieren würde, hätte man in den letzten 100 Jahren keine Kriege führen müssen – man hätte die anderen, widerspenstigen Länder einfach kaufen können. Wäre wesentlich effektiver gewesen als die Millionen von Toten, nech? Und wir europäischen Länder wären jetzt vermutlich alle US-Kolonien und in 50 Jahren würden wir dann den Chinesen gehören, alles eine Frage der Bezahlung.

(Die Äußerungen des Herrn Habermas in der SZ übrigens gehen in die richtige Richtung, allerdings hat der eine ganz andere Motivation. Die EU ist ihm anscheinend nicht sozialistisch genug. Und auch dazu gibt es einen schönen englischen Spruch: "One man’s trash is another man’s treasure.")

So, und zur Erholung noch ein Klassiker, nämlich Finnegan’s Wake, die meine übergebildten Leser vermutlich bis jetzt nur als schwer verdaulichen Roman kennen. Den gesungen etwas schlecht verständlichen Text kann man hier nachlesen.

One Response to “Just say no”

  1. Maex Says:

    Gut finde ich den Artikel von Kris: Eine Verfassung. Und ich finde es ziemlich lausig, dass jetzt alle auf den Iren rumhacken, denn die Bürger anderer Länder haben deren Politiker ja sicherheitshalber einfach mal nicht gefragt. Dumm, dass das in Irland in der Verfassung verankert ist, dass die Bürger gefragt werden müssen.


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