Der Münchner Schorsch

Mein Nachbar, einigen von Euch, die mich schon mal besucht haben, vielleicht als “Blockwart” bekannt (nicht zu verwechseln mit dem Blogwart), hat die Angewohnheit, sich von seinem Balkon aus bzw. im Hof lautstark mit anderen Nachbarn zu unterhalten. Na ja, eigentlich nur mit Nachbarinnen, und zwar den unter-30-jährigen. Unterhalten im Sinne von Monologisieren.
Mich weist er jedes mal, wenn er mich bei den Briefkästen trifft, darauf hin: “Der Postler war schon da! Hast sicher wieder Liebesbriefe kriegt, Madele!”. Meine Nachbarin durfte sich gerade auch wieder einen Sermon anhören über die Gefahren des Rauchens (“I hab zehn Autos g’habt, und in keinem is g’raucht worden, des geht ja ned, in am g’schlossnem Raum”), die Unfähigkeit der Frauen – im Bezug auf die Pflege von Balkonblumen (“I hab ja die Geranien, aus Spanien, haha, naa, und hast Du dein vertrocknets Zeigl jetz weggschmissn? Wo hastes na hintan?”)  und das Kochen (“Wenn ich a Frau hätt, dann tät ich kochen und sie bräucht nur abspülen! Heut gibts wieder ein Bohnengemüse, was ganz was Feins!”). Also, ein echtes Original, wie aus den Münchner Gschichten. Was ich am lustigsten finde: er bezeichnet sich selbst als “Münchner Schorsch” und verwendet wunderbare Idiome wie “Jaa, mit dem Lungenkrebs, da hast dann an Dreck im Schachterl”.
Zudem wird jeder der drolligen Monologe mit einem versöhnlichen Hinweis abgeschlossen: “Naa, du brauchst ned sterben, du bist ja a ganz a Hübsche. Du stirbst noch nicht!” – oder nach einer langen Erzählung über seine Augenoperation: “Aber jetzt siag i wieder, fümfazwanzg Prozent mehr als vorher, jetzt siag i’s wieder alle, die hübschen jungen Madln!”. Reizend!

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